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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.12.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 80/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 3
WEG § 25
WEG § 27 Abs. 2 Nr. 5
1. § 25 Abs. 3 WEG kann wirksam dahingehend abbedungen werden, dass Beschlussfähigkeit vorliegt, wenn mehr als die Hälfte der Eigentumsanteile vertreten ist.

2. Ein Beschluss, durch den der Verwalter unter Befreiung von § 181 BGB ermächtigt wird, die Wohnungseigentümer gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten sowie einen Rechtsanwalt mit der Interessenwahrnehmung der Wohnungseigentümer zu beauftragen, entspricht grundsätzlich auch dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Verwalter das Mandat sich selbst in seiner Funktion als Rechtsanwalt erteilt.


Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Teileigentümer einer Hotelanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. In der außerordentlichen Wohnungseigentümerversammlung vom 18.5.2002 fassten die Teileigentümer unter Nummer II folgenden Beschluss:

Der Verwalter wird beauftragt und ermächtigt, unter Befreiung von § 181 BGB, in Beschlussanfechtungsverfahren die Interessen aller Teileigentümer wahrzunehmen bzw. diese durch einen zu beauftragenden Rechtsanwalt wahrnehmen zu lassen, insbesondere in nachfolgenden Verfahren des Teileigentümers (Antragsteller) gegen die Teileigentümer:

- Verfahren LG ... sowie für das Verfahren einer etwaigen sofortigen weiteren Beschwerde

- Verfahren LG ... sowie für das Verfahren einer etwaigen sofortigen weiteren Beschwerde

- Verfahren AG ... sowie für ein etwaiges Verfahren einer sofortigen Beschwerde und das Verfahren einer etwaigen weiteren Beschwerde

Diese Ermächtigung und Beauftragung erfolgt unabhängig davon, ob in den einzelnen Verfahren der Verwalter auch selbst Antragsgegner oder Verfahrensbeteiligter ist.

Als Beschlussergebnis ist vermerkt: Der Antrag wird bei 2.925/100.000stel Gegenstimmen und bei Stimmenthaltung des Verwalters und von R. mit Mehrheit angenommen.

Der Antragsteller hat, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, beantragt, den Eigentümerbeschluss vom 18.5.2002 zu Nummer II für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 8.4.2003 den Antrag als unbegründet abgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht mit Beschluss vom 8.3.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Mehrheitsbeschluss vom 18.5.2002 sei formell ordnungsgemäß zustande gekommen, da die Eigentümerversammlung beschlussfähig gewesen sei. Durch Nummer 13 Abs. 6 der Teilungserklärung sei § 25 Abs. 3 WEG wirksam dahingehend abbedungen worden, dass Beschlussfähigkeit vorliege, wenn mehr als die Hälfte der Eigentumsanteile vertreten sei. Ferner entspreche der Beschluss auch einer ordnungsmäßigen Verwaltung, da mögliche Interessenkollisionen durch die Personenidentität von Verwalter und beauftragtem Rechtsanwalt von Letzterem gemäß § 43a Abs. 4 BRAO zu prüfen seien. Zudem ergebe sich bereits aus der Teilungserklärung, dass eine besonders starke Stellung des Verwalters gewollt sei. Er sei bereits dort von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und dazu ermächtigt worden, die Eigentümer gerichtlich und außergerichtlich in Angelegenheiten der laufenden Verwaltung zu vertreten. Im Hinblick darauf sei davon auszugehen, dass der Eigentümerbeschluss vom 18.5.2002 einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspreche.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Eigentümerversammlung vom 18.5.2002 war beschlussfähig, da auf ihr unstreitig 80.991/100.000stel Miteigentumsanteile vertreten waren. Die Regelung zur Beschlussfähigkeit in § 25 Abs. 3 WEG kann durch eine Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung dahingehend abbedungen werden, dass eine Eigentümerversammlung beschlussfähig ist, wenn mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten ist, ohne dass darauf abgestellt wird, ob die erschienenen Wohnungseigentümer im Einzelnen auch stimmberechtigt sind (BayObLG WE 1989, 64, 65). Eine derartige Bestimmung ist in Teil C der Teilungserklärung unter Nummer 13 Abs. 6 getroffen worden.

b) Der Eigentümerbeschluss vom 18.5.2002 entspricht auch ordnungsmäßiger Verwaltung i.S. von § 21 Abs.3 WEG, da er dazu dient, die Interessen der Wohnungseigentümer wahrzunehmen, die sich nicht aktiv an rechtlichen Auseinandersetzungen mit Miteigentümern oder Dritten beteiligen wollen (BayObLG NJW-RR 2002, 158/159).

Eigentümerbeschlüsse sind aus sich heraus objektiv und normativ auszulegen. Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls ohne weiteres für jedermann erkennbar sind (BGH NJW 1998, 3713,3714). Zwar ermächtigt der Beschluss vom 18.5.2002 den Verwalter dem Wortlaut nach, alle Teileigentümer in Beschlussanfechtungsverfahren zu vertreten. Durch die Bezugnahme auf bereits anhängige Verfahren des Antragstellers gegen die übrigen Teileigentümer wird jedoch deutlich, dass der Verwalter berechtigt sein soll, die übrigen Wohnungseigentümer in Verfahren gegen einzelne andere Wohnungseigentümer zu vertreten. Der Beschluss ermächtigt den Verwalter nicht, in gerichtlichen Auseinandersetzungen sowohl Antragsteller als auch Antragsgegner zu vertreten. Folglich wird durch den Beschluss vom 18.5.2002 dem Verwalter allgemein die Befugnis erteilt, die übrigen Teileigentümer in Anfechtungsverfahren einzelner Teileigentümer zu vertreten, bzw. einen Rechtsanwalt mit der Interessenwahrnehmung zu beauftragen. Weiter wird diese Ermächtigung insbesondere auch auf bereits anhängige Verfahren erstreckt, an denen Antragsteller und Antragsgegner beteiligt sind. In beiden Fällen entspricht der Beschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung (BayObLG NJW-RR 2002, 158).

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass in den bereits anhängigen Verfahren Personenidentität zwischen Verwalter und beauftragtem Rechtsanwalt besteht. Die Vollmacht des Verwalters wurde ausdrücklich unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt. Gleichzeitig sieht der Beschluss aber keinesfalls zwingend vor, dass der Verwalter sich selbst das Mandat als anwaltlichem Vertreter erteilt. Die Vollmacht des Verwalters zur Rechtsanwaltsbestellung wird deshalb auch bei einer etwaigen Interessenkollision nicht unwirksam, solange sie nicht widerrufen ist (BayObLG WE 1990, 138). Der Verwalter kann und muss vielmehr im Einzelfall im Rahmen seiner Pflichten prüfen, ob die Mandatserteilung zu Kollisionen führen kann. Verstößt der Verwalter beim Vollzug des Ermächtigungsbeschlusses gegen seine Neutralitätspflicht, so hat dies nicht die Ungültigkeit des Beschlusses zur Folge, sondern könnte allenfalls Anlass zur Prüfung sein , ob ein wichtiger Grund für die Abberufung des Verwalters vorliegt (BayObLG NJW-RR 2002, 158/159).

Ähnliches gilt für den Rechtsanwalt bei der Übernahme des Mandats im Rahmen seiner Selbstprüfungspflichten nach § 43a Abs.4 BRAO. Dies kann in den bereits anhängigen Verfahren zu einer möglichen Mandatskündigung, bzw. Mandatsniederlegung führen, hat aber keine Auswirkungen auf die Gültigkeit des Eigentümerbeschlusses.

Im Übrigen sieht bereits die Teilungserklärung vor, dass der Verwalter von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und befugt ist, die Eigentümer gerichtlich und außergerichtlich in Angelegenheiten der laufenden Verwaltung zu vertreten. Eine in der Gemeinschaftsordnung enthaltene allgemeine Ermächtigung des Verwalters zur gerichtlichen Geltendmachung gemeinsamer Ansprüche der Wohnungseigentümer ist zulässig; dabei ist auch ein Vorgehen gegen einzelne Wohnungseigentümer möglich (BayObLG Rpfleger 1982, 15). In einer solchen Ermächtigung ist grundsätzlich die Befugnis eingeschlossen, einen Rechtsanwalt mit der Vertretung der Wohnungseigentümer in gerichtlichen Verfahren zu beauftragen (BayObLG WE 1992, 144), und sie gilt in entsprechender Anwendung von § 27 Abs.2 Nr.5 WEG auch in Beschlussanfechtungsverfahren (BayObLG NJW-RR 2002, 158/159). Der Eigentümerbeschluss vom 18.5.2002 gibt daher, soweit er eine allgemeine Ermächtigung des Verwalters beinhaltet, nur die bereits durch die Teilungserklärung geschaffene Rechtslage wieder und entspricht schon aus diesem Grunde einer ordnungsmäßigen Verwaltung.

3. Es erscheint nach § 47 WEG angemessen, dem in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsteller in der Rechtsbeschwerdeinstanz die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner aufzuerlegen.

Die mit den Vorinstanzen übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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